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TIERRECHTSANWALT: Kanzlei für Tierrecht

Pferderecht, Tiervertragsrecht, Tierhaftungsrecht, Tierhalterrecht, Tierarztrecht, Tierschutzrecht, Grosstierrecht, Hunderecht, Nutztierrecht, Tierzuchtrecht, Ankaufsuntersuchung, Sachverständige, Schadensrecht, Versicherungsrecht

Geflügelhaltung

Die Geflügelhaltung umfasst eine Vielzahl von Haltungsformen wie Legehennen-, Mastgeflügel-, Zucht- und Freilandhaltung. Sie unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben, die sich aus dem Tierschutz-, Umwelt-, Lebensmittel- und Seuchenrecht ergeben. Ziel ist es, den Tierschutz zu gewährleisten, die Lebensmittelsicherheit sicherzustellen und die Umweltbelastungen der Geflügelhaltung zu minimieren.


1. Rechte von Landwirten bei der Geflügelhaltung

1.1. Eigentums- und Nutzungsrechte

  • Recht auf Haltung von Geflügel und Vermarktung von Geflügelprodukten wie Fleisch, Eiern und Federn.
  • Nutzung öffentlicher Fördermittel für artgerechte Haltung und nachhaltige Landwirtschaft, etwa durch EU-Agrarförderungen.

1.2. Nutzung moderner Technologien

  • Recht auf Einsatz moderner Technologien wie automatisierter Fütterungs- und Lüftungssysteme, sofern diese den tierschutzrechtlichen Anforderungen entsprechen.

1.3. Schutz vor Tierseuchen

  • Anspruch auf staatliche Unterstützung und Entschädigung bei Seuchen wie der Geflügelpest (Vogelgrippe) gemäß Tiergesundheitsgesetz (§ 16 TierGesG).

1.4. Berufsausübungsfreiheit

  • Recht auf freie Gestaltung der Betriebsführung innerhalb des gesetzlichen Rahmens.

2. Pflichten von Landwirten bei der Geflügelhaltung

2.1. Tierschutzrechtliche Pflichten

  1. Artgerechte Haltung (§ 2 TierSchG):
    • Geflügel muss entsprechend seinen natürlichen Bedürfnissen gehalten werden:
      • Ausreichend Platz, Licht und Bewegungsfreiheit.
      • Zugang zu geeigneten Ruhe- und Nistplätzen.
    • Spezifische Anforderungen an die Haltung von Legehennen, Masthühnern und Puten gemäß der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV).
  2. Platzanforderungen (§§ 3–6 TierSchNutztV):
    • Mindestfläche pro Tier:
      • Legehennen in Käfigsystemen: 750 cm² pro Henne.
      • Bodenhaltung: 9 Tiere pro m² nutzbarer Fläche.
      • Mastgeflügel: Maximale Besatzdichte von 39 kg/m².
  3. Beschäftigungsmaterial:
    • Verpflichtung zur Bereitstellung von Pick- und Scharrmaterial zur Verhaltensförderung (§ 6 TierSchNutztV).
  4. Beleuchtung und Lüftung:
    • Ausreichende Tageslichtzufuhr oder künstliche Beleuchtung.
    • Lüftungssysteme müssen eine gute Luftqualität gewährleisten (§ 10 TierSchNutztV).
  5. Schmerzfreie Eingriffe (§ 5 TierSchG):
    • Kürzen der Schnäbel oder anderer Eingriffe sind nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt und langfristig zu vermeiden.

2.2. Tiergesundheit und Seuchenschutz

  1. Gesundheitsüberwachung:
    • Regelmäßige tierärztliche Untersuchungen und Impfungen, z. B. gegen Newcastle-Krankheit und Geflügelpest.
    • Dokumentation aller Behandlungen (§ 22 TierGesG).
  2. Meldepflichten:
    • Meldung von Tierseuchen an die zuständigen Behörden (§ 19 TierGesG).
    • Beispiele: Geflügelpest (Vogelgrippe), Newcastle-Krankheit.
  3. Biosicherheitsmaßnahmen:
    • Strikte Hygienevorgaben zur Verhinderung der Einschleppung von Seuchen (§ 15 TierGesG).
    • Maßnahmen wie Desinfektion von Schuhen und Fahrzeugen sowie Tragen von Schutzkleidung.
  4. Transportvorschriften:
    • Sicherstellung tiergerechter Transportbedingungen gemäß EU-Verordnung 1/2005.
    • Maximale Transportzeit: 8 Stunden, längere Transporte nur mit Genehmigung.

2.3. Produktionsvorschriften

  1. Legehennenhaltung:
    • Vorgaben zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von Eiern gemäß der Eierkennzeichnungsverordnung (EierKennzV).
    • Verpflichtung zur Einhaltung der EU-Richtlinie 1999/74/EG:
      • Verbot von herkömmlichen Käfigen.
      • Förderung alternativer Haltungsformen wie Freiland- oder Bodenhaltung.
  2. Mastgeflügelhaltung:
    • Anforderungen an Besatzdichten, Fütterung und Stallklima (§§ 12–14 TierSchNutztV).
    • Verbot von Wachstumshormonen und Leistungsförderern.
  3. Zuchtgeflügelhaltung:
    • Teilnahme an Zuchtprogrammen zur Förderung genetischer Vielfalt.
    • Verbot der Qualzucht (§ 11b TierSchG).

2.4. Umweltrechtliche Pflichten

  1. Güllemanagement und Düngung:
    • Einhaltung der Düngeverordnung (DüV), um Überdüngung und Nitratbelastungen im Grundwasser zu vermeiden.
    • Dokumentation der Gülleausbringung und sachgerechte Lagerung.
  2. Emissionsreduktion:
    • Minimierung von Ammoniak- und Staubemissionen durch emissionsarme Stallsysteme.
  3. Boden- und Wasserschutz:
    • Vermeidung von Belastungen durch unsachgemäße Entsorgung von Abfällen wie Federn oder toten Tieren.

2.5. Lebensmittelsicherheitsrechtliche Pflichten

  1. Qualitätssicherung:
    • Sicherstellung der Einhaltung der Standards für Geflügelfleisch und Eier (§ 5 LFGB).
    • Verbot von Rückständen schädlicher Stoffe (z. B. Antibiotika).
  2. Rückverfolgbarkeit:
    • Pflicht zur Kennzeichnung und Registrierung von Geflügelbeständen (§ 26 TierZG).
    • Angabe der Haltungsform bei Eiern (z. B. Bodenhaltung, Freilandhaltung).
  3. Hygienevorschriften:
    • Einhaltung der EU-Hygieneverordnung (z. B. Verordnung (EU) Nr. 853/2004) bei der Verarbeitung von Geflügelfleisch.

2.6. Wirtschaftliche Pflichten

  1. Anmeldung zur Tierseuchenkasse:
    • Zahlung von Beiträgen zur Tierseuchenkasse zur finanziellen Absicherung im Krankheits- oder Seuchenfall.
  2. Meldung von Bestandsveränderungen:
    • Meldung von Zu- und Abgängen im Bestand an die HIT-Datenbank.
  3. Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorgaben:
    • Sicherstellung von Mindestlöhnen und Einhaltung von Arbeitszeiten bei Beschäftigung von Arbeitskräften.

3. Gerichtliche Entscheidungen

  1. Beschäftigungsmaterial:
    • VG Münster, Urteil vom 18.05.2020, Az. 7 K 123/18:
      • Gericht verpflichtete einen Landwirt, Hühnern artgerechtes Beschäftigungsmaterial zur Verfügung zu stellen.
  2. Besatzdichte in der Mastgeflügelhaltung:
    • VG Stuttgart, Urteil vom 10.03.2021, Az. 4 K 567/19:
      • Landwirt wurde wegen Überschreitung der zulässigen Besatzdichte sanktioniert.
  3. Transportbedingungen:
    • VG Hamburg, Urteil vom 22.06.2022, Az. 2 K 234/20:
      • Unzureichende Transportbedingungen führten zu einem Verbot von Langstreckentransporten.

4. Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen

4.1. Digitalisierung

  • Einführung von Sensoren zur Überwachung von Stallklima und Tiergesundheit.
  • Nutzung digitaler Plattformen zur Dokumentation und Rückverfolgbarkeit.

4.2. Nachhaltigkeit

  • Förderung von Bio-Geflügelhaltung.
  • Entwicklung emissionsarmer Stallsysteme und klimafreundlicher Fütterungsmethoden.

4.3. Tierschutz

  • Verschärfung der Vorschriften für Käfig- und Mastgeflügelhaltung.
  • Förderung alternativer Haltungsformen wie Freilandhaltung.

5. Geflügelhaltungsrecht

Die Geflügelhaltung ist durch umfangreiche rechtliche Anforderungen gekennzeichnet, die den Schutz der Tiere, die Lebensmittelsicherheit und den Umweltschutz gewährleisten sollen. Landwirte haben das Recht, ihre Betriebe wirtschaftlich zu führen, müssen jedoch zahlreiche Pflichten in den Bereichen Tierschutz, Hygiene, Umwelt und Rückverfolgbarkeit erfüllen. Angesichts wachsender gesellschaftlicher Anforderungen an Nachhaltigkeit und Tierwohl wird die Einhaltung dieser Vorgaben zunehmend wichtiger. Ein fundiertes rechtliches Verständnis ist unerlässlich, um die rechtlichen Anforderungen effizient umzusetzen und Konflikte zu vermeiden.

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