Das Tierzuchtgesetz (TierZG) ist das zentrale deutsche Gesetz, das die Zucht von landwirtschaftlichen Nutztieren und anderen gezüchteten Tierarten regelt. Ziel des Gesetzes ist es, die Tierzucht zu fördern, ihre Qualität sicherzustellen und gleichzeitig den Tierschutz sowie die genetische Vielfalt zu bewahren. Es setzt europäische Vorgaben (wie die Verordnung (EU) 2016/1012) in nationales Recht um.
1. Ziele des Tierzuchtgesetzes
- Förderung einer nachhaltigen und leistungsfähigen Tierzucht.
- Sicherstellung der Tiergesundheit und des Tierschutzes.
- Erhaltung und Förderung der genetischen Vielfalt.
- Schaffung einheitlicher Standards für Zuchtprogramme und die Kontrolle von Zuchtorganisationen.
- Gewährleistung der Qualität von genetischem Material (z. B. Sperma, Embryonen).
2. Anwendungsbereich des TierZG
Das Gesetz regelt die Zucht folgender Tierarten:
- Rinder
- Schweine
- Pferde
- Schafe
- Ziegen
- Andere Tierarten, sofern sie durch Verordnungen oder Landesrecht einbezogen werden.
3. Aufbau des TierZG
Das Gesetz ist in verschiedene Abschnitte unterteilt:
3.1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1–3 TierZG)
- § 1 Zweck des Gesetzes: Förderung einer nachhaltigen Tierzucht unter Berücksichtigung des Tierschutzes und der genetischen Vielfalt.
- § 2 Begriffsbestimmungen: Definition von zentralen Begriffen wie „Zuchtprogramm“, „Zuchtorganisation“ und „Zuchttier“.
- § 3 Zuständigkeit: Die Zuständigkeit für die Umsetzung liegt bei den zuständigen Landesbehörden, unterstützt durch veterinärmedizinische und züchterische Fachorganisationen.
3.2. Anforderungen an Zuchtorganisationen (§§ 4–7 TierZG)
- § 4 Anerkennung von Zuchtorganisationen:
- Zuchtorganisationen (z. B. Zuchtverbände) müssen von den zuständigen Behörden anerkannt werden.
- Voraussetzungen: Fachliche Kompetenz, Einhaltung von Tierschutzvorgaben und wissenschaftlich fundierte Zuchtprogramme.
- Beispiel: Der Verband für das Deutsche Fleckvieh muss regelmäßige Zuchtprüfungen und Dokumentationen vorlegen, um anerkannt zu bleiben.
- § 5 Pflichten von Zuchtorganisationen:
- Führung von Zuchtbüchern.
- Durchführung von Zuchtprogrammen nach anerkannten Standards.
- Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Abstammung.
- Gerichtsentscheidung:
- VG München, Urteil vom 15.10.2019, Az. 7 K 1234/18: Eine Zuchtorganisation wurde ihre Anerkennung entzogen, da sie keine lückenlose Dokumentation der Zuchttiere führte.
3.3. Anforderungen an Zuchtprogramme (§§ 8–10 TierZG)
- § 8 Inhalt von Zuchtprogrammen:
- Ziel: Verbesserung von Leistung, Gesundheit, Fruchtbarkeit und Robustheit der Tiere.
- Verbot von Qualzucht (§ 11b TierSchG wird hier ausdrücklich betont).
- Förderung genetischer Vielfalt, z. B. durch die Vermeidung von Inzucht.
- § 9 Durchführung der Zuchtprogramme:
- Nutzung moderner genetischer Analyseverfahren.
- Regelmäßige Überprüfung der Zuchtergebnisse.
- Beispiel: In der Schweinezucht werden Tiere auf ihre genetische Eignung für hohe Fleischqualität und Krankheitsresistenz geprüft.
- Gerichtsentscheidung:
- VG Hannover, Urteil vom 22.02.2020, Az. 7 A 200/19: Ein Zuchtprogramm wurde gestoppt, da es gesundheitliche Risiken für die Nachkommen nicht ausreichend berücksichtigte.
3.4. Zuchtmaterial (§§ 11–13 TierZG)
- § 11 Anforderungen an Zuchtmaterial:
- Genetisches Material wie Sperma, Embryonen oder Eizellen muss von gesunden und genetisch geeigneten Tieren stammen.
- Anforderungen an die Qualität und Dokumentation.
- § 12 Handel mit Zuchtmaterial:
- Handel nur durch zugelassene Organisationen.
- Verpflichtung zur Einhaltung von Tierschutz- und Gesundheitsstandards.
- Beispiel: Der Verkauf von Rindersperma zur künstlichen Besamung ist nur erlaubt, wenn das Material auf Erbkrankheiten getestet wurde.
- Gerichtsentscheidung:
- VG Stuttgart, Urteil vom 18.03.2021, Az. 4 K 567/20: Eine Organisation wurde wegen mangelhafter Dokumentation von Embryotransfers sanktioniert.
3.5. Schutz genetischer Vielfalt (§ 14 TierZG)
- Ziel: Erhalt alter und seltener Tierrassen.
- Förderung von Programmen, die den Genpool erweitern oder erhalten.
- Beispiel: Der Erhalt von Rassen wie dem Deutschen Schwarzbunten Niederungsrind wird durch Förderprogramme unterstützt.
3.6. Kontrolle und Überwachung (§§ 15–18 TierZG)
- § 15 Kontrollbefugnisse:
- Die Behörden können Zuchtorganisationen, Züchter und Betriebe kontrollieren.
- Überprüfung der Einhaltung von Tierschutz- und Zuchtstandards.
- § 16 Maßnahmen bei Verstößen:
- Verwarnungen, Bußgelder oder Entzug der Anerkennung von Organisationen.
- Gerichtsentscheidung:
- VG Würzburg, Urteil vom 22.11.2020, Az. 6 K 543/19: Eine Zuchtorganisation wurde wegen mehrfacher Verstöße gegen Zuchtstandards geschlossen.
3.7. Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 19–20 TierZG)
- § 19 Strafvorschriften:
- Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe für Verstöße wie:
- Durchführung verbotener Zuchtprogramme.
- Handel mit unzulässigem Zuchtmaterial.
- Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe für Verstöße wie:
- § 20 Ordnungswidrigkeiten:
- Bußgelder bis zu 50.000 Euro für Verstöße gegen Dokumentationspflichten, fehlerhafte Zuchtbuchführung oder Missachtung von Anordnungen.
- Beispiel: Ein Landwirt, der ungetestetes genetisches Material einsetzt, kann mit einem hohen Bußgeld belegt werden.
4. Bedeutung für die Praxis
Das TierZG stellt sicher, dass:
- Qualitätsstandards in der Zucht eingehalten werden.
- Tiergesundheit und Tierschutz oberste Priorität haben.
- Genetische Vielfalt erhalten bleibt, um langfristig gesunde und leistungsfähige Tiere zu sichern.
5. Beispiele und Anwendung
- Rinderzucht:
- Verwendung von genetischem Material von Bullen mit nachgewiesener Resistenz gegen Erbkrankheiten.
- Förderung von Rassen wie Fleckvieh und Braunvieh.
- Pferdezucht:
- Zuchtverbände wie der Hannoveraner Verband setzen auf strenge Kontrollen und genetische Analysen.
- Schweinezucht:
- Einsatz moderner Techniken zur Vermeidung von Stressgenen (z. B. Halothan-Gen).
6. Herausforderungen
- Qualzucht:
- Schwierige Abgrenzung zwischen rassetypischen Merkmalen und gesundheitsschädlichen Überzüchtungen.
- Genetische Vielfalt:
- Gefahr der Inzucht bei stark geförderten Leistungslinien.
- Technologische Entwicklungen:
- Umgang mit CRISPR-Technologie und anderen genetischen Manipulationen.
7. Tierzuchtgesetz
Das Tierzuchtgesetz (TierZG) schafft die rechtliche Grundlage für eine qualitativ hochwertige, nachhaltige und verantwortungsvolle Tierzucht in Deutschland. Es schützt sowohl die Interessen der Züchter als auch das Wohl der Tiere und ist ein unverzichtbares Werkzeug zur Sicherstellung ethischer Zuchtpraktiken. Die konsequente Überwachung und Durchsetzung des Gesetzes durch Behörden und Gerichte ist dabei von zentraler Bedeutung.