Das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) regelt die Maßnahmen zur Bekämpfung, Überwachung und Verhütung von Tierseuchen in Deutschland. Es dient der Gesundheit der Tiere, dem Schutz des Menschen vor Zoonosen (vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheiten) und der Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit in der Tierhaltung. Das TierGesG setzt wesentliche Vorgaben aus der Verordnung (EU) 2016/429 (Animal Health Law) in nationales Recht um.
1. Ziele des TierGesG
- Schutz der Gesundheit von Tieren durch Prävention und Bekämpfung von Tierseuchen.
- Schutz des Menschen vor tierischen Krankheiten, die auf den Menschen übertragbar sind.
- Sicherstellung der Lebensmittelsicherheit durch gesunde Nutztiere.
- Vermeidung wirtschaftlicher Schäden durch Tierseuchen in der Landwirtschaft.
2. Anwendungsbereich des TierGesG
Das TierGesG gilt für:
- Haus- und Nutztiere (z. B. Rinder, Schweine, Geflügel).
- Wildtiere, soweit sie in menschlicher Obhut gehalten werden.
- Exotische Tiere in zoologischen Einrichtungen und bei privaten Haltern.
- Zoonosen, die Menschen durch Tiere oder tierische Produkte gefährden können (z. B. Tollwut, Salmonellose).
3. Aufbau des TierGesG
Das TierGesG ist in mehrere Abschnitte unterteilt:
3.1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1–4 TierGesG)
- § 1 Zweck des Gesetzes:
- Prävention, Bekämpfung und Ausrottung von Tierseuchen.
- Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren.
- § 2 Begriffsbestimmungen:
- Definition zentraler Begriffe wie „Tierseuche“, „Tierhalter“, „Wildtiere“.
- § 3 Grundsätze:
- Zusammenarbeit zwischen Tierhaltern, Tierärzten und Behörden.
- § 4 Zuständigkeiten:
- Die Tierseuchenbekämpfung liegt im Verantwortungsbereich der Bundesländer.
3.2. Anzeigepflichten und Meldepflichten (§§ 5–9 TierGesG)
- § 5 Anzeigepflichten:
- Tierhalter, Tierärzte und Laboratorien sind verpflichtet, den Verdacht oder das Auftreten bestimmter Tierseuchen unverzüglich den zuständigen Behörden zu melden.
- Beispiele für anzeigepflichtige Krankheiten:
- Afrikanische Schweinepest (ASP).
- Vogelgrippe (Aviäre Influenza).
- Maul- und Klauenseuche.
- § 6 Meldepflichten:
- Erfassung und Meldung von Tierbewegungen in Datenbanken wie der HIT-Datenbank.
- Gerichtsentscheidung:
- VG Gießen, Urteil vom 12.11.2019, Az. 6 K 234/18: Ein Landwirt wurde wegen unterlassener Meldung eines Seuchenausbruchs zu einem Bußgeld verurteilt.
3.3. Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung (§§ 10–20 TierGesG)
- § 10 Bekämpfungsmaßnahmen bei Seuchenausbruch:
- Quarantäne, Tötung und unschädliche Beseitigung betroffener Tiere.
- Einrichtung von Sperrbezirken und Beobachtungsgebieten.
- § 11 Impfpflichten und Impfverbote:
- Impfungen können bei bestimmten Seuchen vorgeschrieben oder verboten werden.
- Beispiel: Impfung gegen Blauzungenkrankheit (Blauzungenvirus, BTV).
- § 12 Transport- und Handelsbeschränkungen:
- Verbot von Tiertransporten aus betroffenen Gebieten.
- Einschränkungen beim Handel mit tierischen Produkten.
- § 13 Maßnahmen zur Seuchenermittlung:
- Einsatz von Veterinärmedizinern zur Untersuchung von Beständen.
- Probenentnahme und Laboranalysen.
- Gerichtsentscheidung:
- OVG Münster, Urteil vom 18.03.2021, Az. 20 A 1234/20: Die Tötung eines gesamten Geflügelbestands wegen Vogelgrippe wurde als rechtmäßig eingestuft.
3.4. Prävention (§§ 21–25 TierGesG)
- § 21 Tiergesundheitsüberwachung:
- Regelmäßige Gesundheitskontrollen von Nutztieren.
- Einhaltung von Hygienestandards in Tierhaltungsbetrieben.
- § 22 Maßnahmen zur Verhütung von Tierseuchen:
- Verpflichtung zu Biosicherheitsmaßnahmen in Ställen (z. B. Desinfektionsmatten, Zugangsbeschränkungen).
- Beispiel: Vorschriften zur Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest durch Wildschweinbarrieren.
- § 23 Tiergesundheitsdienste:
- Tierhalter können auf Beratung durch Tiergesundheitsdienste zurückgreifen.
- Gerichtsentscheidung:
- VG Stuttgart, Urteil vom 10.05.2022, Az. 4 K 456/21: Ein Landwirt wurde verpflichtet, seine Biosicherheitsmaßnahmen zu verbessern.
3.5. Verantwortlichkeiten von Tierhaltern (§§ 26–30 TierGesG)
- § 26 Sorgfaltspflichten der Tierhalter:
- Verpflichtung zur artgerechten Haltung und regelmäßigen Gesundheitskontrollen.
- Sicherstellung, dass Tiere frei von übertragbaren Krankheiten sind.
- § 27 Meldung von Bestandsveränderungen:
- Tierhalter müssen Zu- und Abgänge im Tierbestand melden.
- Beispiel: Geburt, Verkauf oder Tod von Tieren.
- § 28 Dokumentationspflichten:
- Führen eines Bestandsbuchs über Tierbewegungen, Gesundheitsstatus und Behandlungen.
- Gerichtsentscheidung:
- VG Hamburg, Urteil vom 20.02.2020, Az. 7 K 345/19: Bußgeld gegen einen Landwirt wegen unterlassener Meldung von Tierbewegungen.
3.6. Überwachung und Kontrolle (§§ 31–36 TierGesG)
- § 31 Kontrollbefugnisse der Behörden:
- Berechtigung, Betriebe zu betreten, Tiere zu untersuchen und Proben zu entnehmen.
- § 32 Einhaltung von Auflagen:
- Verpflichtung der Tierhalter zur Umsetzung von behördlich angeordneten Maßnahmen.
- Gerichtsentscheidung:
- VG München, Urteil vom 15.09.2021, Az. 7 A 456/20: Ein Betrieb wurde wegen mangelnder Kooperation bei einer Seuchenkontrolle vorübergehend geschlossen.
3.7. Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 37–39 TierGesG)
- § 37 Strafvorschriften:
- Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen bei:
- Verbreitung von Tierseuchen durch vorsätzliches Handeln.
- Nichtbeachtung von Quarantäneauflagen.
- Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen bei:
- § 38 Ordnungswidrigkeiten:
- Bußgelder bis zu 50.000 Euro bei Verstößen gegen Melde- oder Dokumentationspflichten.
- Beispiel: Ein Landwirt, der trotz eines Transportverbots Tiere in ein anderes Gebiet verbringt, kann mit einem hohen Bußgeld belegt werden.
4. Beispiele für Anwendungsfälle des TierGesG
4.1. Afrikanische Schweinepest (ASP)
- Ein Schweinebetrieb meldet Krankheitsverdacht, und der gesamte Bestand wird getestet. Bei positivem Befund:
- Einrichtung eines Sperrbezirks.
- Keulung des gesamten Bestands.
- Reinigung und Desinfektion der Anlage.
4.2. Vogelgrippe (Aviäre Influenza)
- Ein Geflügelbetrieb wird nach einem Ausbruch komplett geräumt.
- Beobachtungsgebiete mit Transportverboten werden eingerichtet.
4.3. Tollwut
- Ein Hund ohne Impfschutz wird nach Kontakt mit einem tollwutverdächtigen Wildtier unter Quarantäne gestellt.
5. Herausforderungen des TierGesG
- Globalisierung:
- Zunehmender internationaler Handel erhöht das Risiko der Einschleppung von Tierseuchen.
- Wildtiere:
- Schwierige Kontrolle und Prävention von Seuchen in freilebenden Wildtierpopulationen (z. B. Wildschweine bei ASP).
- Umsetzung durch Behörden:
- Engpässe bei der Überwachung und Kontrolle durch Veterinärämter.
- Klimawandel:
- Begünstigung der Verbreitung neuer Krankheiten (z. B. Blauzungenkrankheit, West-Nil-Virus).
6. Tiergesundheitsgesetz
Das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) ist ein zentrales Instrument zur Bekämpfung und Prävention von Tierseuchen in Deutschland. Es schützt nicht nur die Gesundheit von Tieren und Menschen, sondern sichert auch die wirtschaftliche Stabilität der landwirtschaftlichen Betriebe. Eine konsequente Einhaltung und Durchsetzung des Gesetzes ist essenziell, um die Tiergesundheit langfristig zu gewährleisten.