Das Wildtierrecht umfasst die rechtlichen Regelungen, die sich mit dem Schutz, der Nutzung, der Haltung und dem Umgang mit wildlebenden Tieren befassen. Es dient dem Erhalt von Wildtierpopulationen, dem Schutz ihrer Lebensräume und der Regelung des menschlichen Umgangs mit Wildtieren. Das Wildtierrecht berührt das Naturschutz-, Jagd-, Tierschutz-, Verwaltungs- und Strafrecht sowie internationale Abkommen.
1. Grundlagen des Wildtierrechts
1.1. Definition von Wildtieren
- Wildtiere sind Tiere, die nicht domestiziert sind und in der Wildnis leben oder gehalten werden können.
- Beispiele:
- Säugetiere (z. B. Rehe, Füchse, Wölfe).
- Vögel (z. B. Greifvögel, Singvögel).
- Amphibien und Reptilien (z. B. Frösche, Schlangen).
- Fische (z. B. Lachs, Karpfen).
- Insekten (z. B. Schmetterlinge, Bienen).
1.2. Ziele des Wildtierrechts
- Artenschutz:
- Erhalt gefährdeter Tierarten und ihrer Lebensräume.
- Tierschutz:
- Schutz wildlebender Tiere vor Misshandlung und Leiden.
- Nachhaltigkeit:
- Sicherstellung des Gleichgewichts in Ökosystemen.
- Sicherheit und Ordnung:
- Regelung des Umgangs mit gefährlichen oder invasiven Wildtieren.
2. Rechtsgrundlagen des Wildtierrechts
2.1. Nationale Gesetze
- Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG):
- Zentrales Gesetz für den Schutz wildlebender Tiere und ihrer Lebensräume.
- § 44 BNatSchG: Verbot des Fangens, Tötens und Störens bestimmter Arten.
- Bundesjagdgesetz (BJagdG):
- Regelt die nachhaltige Nutzung und den Schutz jagdbarer Wildtiere.
- § 1 BJagdG: Ziel der Hege und Pflege von Wildbeständen.
- Tierschutzgesetz (TierSchG):
- Schutz wildlebender Tiere vor unnötigem Leid.
- Gilt auch für gefangene oder verletzte Wildtiere.
- Tiergesundheitsgesetz (TierGesG):
- Prävention und Bekämpfung von Tierseuchen bei Wildtieren.
- Waffengesetz (WaffG):
- Vorschriften zur Jagdausübung mit Waffen.
2.2. Landesrecht
- Die Bundesländer ergänzen das Wildtierrecht mit spezifischen Vorschriften, z. B. Schonzeiten oder Jagdbeschränkungen.
2.3. Europäische Regelungen
- Habitat-Richtlinie (92/43/EWG):
- Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen sowie ihrer Lebensräume.
- Einrichtung des Natura-2000-Netzwerks.
- Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG):
- Schutz wildlebender Vogelarten und ihrer Lebensräume.
- EU-Verordnungen:
- Vorschriften zum Schutz invasiver Arten (EU-Verordnung 1143/2014).
2.4. Internationale Abkommen
- Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES):
- Regelt den internationalen Handel mit gefährdeten Arten.
- Bonner Konvention (CMS):
- Schutz wandernder Tierarten (z. B. Zugvögel, Meeressäuger).
- Berner Konvention:
- Schutz von wildlebenden Tieren und deren Lebensräumen in Europa.
3. Regelungsbereiche des Wildtierrechts
3.1. Schutz wildlebender Tiere
- Artenschutz (§ 44 BNatSchG):
- Verbot des Fangens, Tötens, Verletzens oder Störens bestimmter Arten.
- Verbot der Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten.
- Gefährdungskategorien:
- Streng geschützte Arten (z. B. Wolf, Luchs).
- Geschützte Arten (z. B. viele Vogelarten).
3.2. Lebensraumschutz
- Naturschutzgebiete und Natura 2000:
- Einrichtung von Schutzgebieten zur Erhaltung von Lebensräumen.
- Eingriffsregelung (§ 15 BNatSchG):
- Verpflichtung zur Kompensation von Eingriffen in Lebensräume.
3.3. Nutzung wildlebender Tiere
- Jagdrecht:
- Jagd auf Wildtiere ist nur mit Jagdschein und unter Einhaltung der Schonzeiten erlaubt.
- Geregelt im BJagdG und den Landesjagdgesetzen.
- Fischereirecht:
- Nutzung von Fischbeständen unter Berücksichtigung von Schonzeiten und Mindestgrößen.
3.4. Haltung und Zucht von Wildtieren
- Haltungsregeln (§ 2 TierSchG):
- Artgerechte Haltung ist auch für Wildtiere erforderlich.
- Genehmigungspflichten (§ 11 TierSchG):
- Haltung exotischer oder gefährlicher Wildtiere ist genehmigungspflichtig.
- Zucht:
- Zucht geschützter Arten unterliegt strengen Vorgaben (CITES).
3.5. Umgang mit invasiven Arten
- EU-Verordnung 1143/2014:
- Verbot der Einfuhr, Haltung und Ausbreitung invasiver Arten (z. B. Waschbär, Signalkrebs).
- Maßnahmen:
- Entfernung invasiver Arten aus empfindlichen Ökosystemen.
3.6. Wildtiere und öffentliche Sicherheit
- Gefährliche Wildtiere:
- Umgang mit Wildtieren, die Menschen oder andere Tiere gefährden (z. B. Wölfe, Bären).
- Managementpläne:
- Regelungen für den Umgang mit Konfliktarten (z. B. Wolf-Managementpläne der Bundesländer).
4. Konflikte und Herausforderungen im Wildtierrecht
4.1. Konflikte mit Landnutzern
- Problem:
- Schäden durch Wildtiere in der Landwirtschaft (z. B. Wildschweine, Biber).
- Rechtslage:
- Entschädigungen für Schäden durch geschützte Wildtiere (§ 29 BJagdG).
4.2. Konflikte durch invasive Arten
- Problem:
- Zerstörung einheimischer Fauna durch invasive Arten (z. B. Nutria, Waschbär).
- Rechtslage:
- Verpflichtung zur Bekämpfung invasiver Arten durch EU-Recht.
4.3. Schutz versus Nutzung
- Problem:
- Konflikte zwischen Naturschutz (z. B. Wolfsschutz) und wirtschaftlicher Nutzung (z. B. Viehhaltung).
- Rechtslage:
- Wolfsabschuss nur bei erheblichem wirtschaftlichem Schaden und nach Genehmigung.
4.4. Wildtierhaltung und Exotenhandel
- Problem:
- Haltung exotischer Wildtiere in Privathaushalten (z. B. Schlangen, Krokodile).
- Rechtslage:
- Genehmigungspflicht und Nachweis artgerechter Haltung (§ 11 TierSchG).
5. Rechtsprechung im Wildtierrecht
- Wolfsabschuss
- BVerwG, Urteil vom 15.01.2019, Az. 9 C 3.18:
- Abschuss eines streng geschützten Wolfes war rechtswidrig, da keine ausreichende Gefahr für Menschen oder Nutztiere bestand.
- BVerwG, Urteil vom 15.01.2019, Az. 9 C 3.18:
- Lebensraumzerstörung
- EuGH, Urteil vom 04.03.2021, Az. C-473/19:
- Verstoß gegen die Habitat-Richtlinie durch Zerstörung von Brutplätzen geschützter Vogelarten.
- EuGH, Urteil vom 04.03.2021, Az. C-473/19:
- Haltung invasiver Arten
- VG Gießen, Urteil vom 10.10.2020, Az. 2 K 123/20:
- Verbot der Haltung eines Waschbären, da es sich um eine invasive Art handelt.
- VG Gießen, Urteil vom 10.10.2020, Az. 2 K 123/20:
6. Unsere Rolle als Tierrechtsanwalt im Wildtierrecht
6.1. Beratung und Vertretung
- Für Landwirte und Jäger:
- Beratung zu Wildschadensersatz und Jagdrecht.
- Unterstützung bei Konflikten mit Naturschutzbehörden.
- Für Naturschutzorganisationen:
- Durchsetzung von Artenschutzvorschriften.
- Klage gegen tierschutzwidrige Eingriffe in Lebensräume.
6.2. Konfliktlösung
- Vermittlung zwischen Landnutzern, Naturschutzbehörden und Interessenvertretern.
6.3. Strafrechtliche Vertretung
- Verteidigung bei Vorwürfen des illegalen Wildtierhandels oder Verstößen gegen Artenschutzgesetze.
7. Wildtierrecht
Das Wildtierrecht ist ein vielschichtiges Rechtsgebiet, das den Schutz von Wildtieren mit den Interessen von Landnutzern, Jägern und der öffentlichen Sicherheit in Einklang bringen muss. Es erfordert die sorgfältige Abwägung zwischen Artenschutz, wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlichen Bedürfnissen. Ein spezialisierter Tierrechtsanwalt kann bei der Einhaltung der komplexen Vorschriften, der Klärung von Konflikten und der Durchsetzung von Rechten und Pflichten unterstützen.