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TIERRECHTSANWALT: Kanzlei für Tierrecht

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Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV)

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) konkretisiert die allgemeinen Anforderungen des Tierschutzgesetzes (TierSchG) für die Haltung von Nutztieren. Sie regelt, wie Nutztiere artgerecht gehalten werden müssen, um Schmerzen, Leiden oder Schäden zu vermeiden. Die TierSchNutztV ist zentral für die Tierhaltung in der Landwirtschaft und definiert Mindestanforderungen an die Haltungssysteme.


1. Ziele der TierSchNutztV

  1. Sicherstellung einer artgerechten Haltung von Nutztieren.
  2. Vermeidung von Schmerzen, Leiden und Schäden bei Tieren.
  3. Konkretisierung der Anforderungen des § 2 TierSchG (Pflichten des Tierhalters).
  4. Festlegung von Mindeststandards für Haltung, Pflege, Fütterung und Bewegung.

2. Anwendungsbereich

Die TierSchNutztV gilt für die Haltung folgender Nutztiere:

  • Rinder
  • Schweine
  • Legehennen und Masthühner
  • Puten
  • Kälber
  • Schafe und Ziegen

Die Verordnung enthält spezifische Regelungen für jede Tierart, um deren physiologische und ethologische Bedürfnisse zu berücksichtigen.


3. Aufbau der TierSchNutztV

Die Verordnung gliedert sich in einen allgemeinen Teil sowie spezifische Abschnitte für einzelne Tierarten.


3.1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1–4 TierSchNutztV)

  • § 1 Ziel der Verordnung: Schutz der Nutztiere vor nicht artgerechten Haltungsbedingungen.
  • § 2 Grundsätze der Haltung:
    • Tiere müssen ausreichend Platz haben.
    • Zugang zu artgerechtem Futter und Wasser.
    • Vermeidung von Überforderung und Stress.
  • § 3 Überwachung und Kontrolle:
    • Verpflichtung der Tierhalter zur regelmäßigen Kontrolle des Zustands der Tiere.
  • § 4 Fachkenntnisse des Tierhalters:
    • Tierhalter müssen über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Haltung der jeweiligen Tierart verfügen.

Gerichtsentscheidung:

  • VG Stuttgart, Urteil vom 15.05.2021, Az. 4 K 789/20: Ein Landwirt wurde zur Nachrüstung seines Stalls verpflichtet, da die Tiere nicht ausreichend Platz hatten, was gegen § 2 TierSchNutztV verstieß.

3.2. Besondere Vorschriften für Rinder (§§ 5–9 TierSchNutztV)

  • § 5 Allgemeine Anforderungen:
    • Rinder müssen Zugang zu ausreichend großen Liegeflächen haben.
    • Verbot der dauerhaften Anbindehaltung ohne Auslauf.
  • § 6 Bewegungsfreiheit:
    • Tiere müssen sich frei bewegen können, um Verletzungen und Verhaltensstörungen zu vermeiden.
  • § 7 Fütterung und Tränke:
    • Regelmäßige Versorgung mit sauberem Wasser und qualitativ hochwertigem Futter.
  • § 8 Beleuchtung und Lüftung:
    • Ställe müssen ausreichend belüftet und beleuchtet sein.
  • § 9 Enthornung:
    • Enthornungen dürfen nur unter Betäubung und mit tierärztlicher Überwachung erfolgen.

Beispiel: Ein Milchviehbetrieb, der Rinder dauerhaft ohne Zugang zu Liegeflächen in Anbindehaltung hält, verstößt gegen § 5 TierSchNutztV.


3.3. Besondere Vorschriften für Schweine (§§ 10–18 TierSchNutztV)

  • § 10 Platzanforderungen:
    • Mindestplatz pro Schwein: Abhängig vom Gewicht (z. B. mindestens 0,65 m² pro Schwein bis 110 kg).
  • § 11 Bewegungsfreiheit:
    • Sauen dürfen nicht dauerhaft in Kastenständen gehalten werden.
    • Verpflichtung zur Gruppenhaltung ab dem 29. Trächtigkeitstag.
  • § 12 Beschäftigungsmaterial:
    • Schweine müssen Zugang zu geeignetem Beschäftigungsmaterial wie Stroh oder Holz haben.
  • § 13 Schwanzkupieren:
    • Das Kürzen von Schwänzen ist grundsätzlich verboten; Ausnahmen nur bei nachgewiesener Notwendigkeit.
  • § 14 Tränke und Fütterung:
    • Schweine müssen jederzeit Zugang zu frischem Wasser haben.
  • § 15 Temperaturkontrolle:
    • Vorgaben zur Stalltemperatur, um Überhitzung oder Unterkühlung zu vermeiden.

Gerichtsentscheidung:

  • VG Gießen, Urteil vom 20.04.2022, Az. 6 K 321/21: Ein Schweinehalter wurde wegen fehlendem Beschäftigungsmaterial sanktioniert.

3.4. Besondere Vorschriften für Geflügel (§§ 19–30 TierSchNutztV)

  • § 19 Platzbedarf für Legehennen:
    • Mindestfläche in Käfigsystemen: 750 cm² pro Henne.
    • In Bodenhaltung: maximal 9 Tiere pro m².
  • § 20 Sitzstangen und Nester:
    • Bereitstellung von Sitzstangen und Nistplätzen.
  • § 21 Beleuchtung:
    • Tageslicht oder künstliche Beleuchtung entsprechend den Bedürfnissen der Tiere.
  • § 22 Käfighaltung:
    • Verbot von herkömmlichen Käfigen (nur ausgestaltete Käfige erlaubt).
  • § 23 Tränke und Futter:
    • Ständige Versorgung mit Futter und Wasser.
  • § 24 Masthühner:
    • Besatzdichte: maximal 39 kg pro m² Stallfläche.

Beispiel: Ein Betrieb, der Legehennen in Käfigsystemen mit weniger als 750 cm² Platz pro Tier hält, verstößt gegen § 19 TierSchNutztV.


3.5. Besondere Vorschriften für andere Tierarten

  • Kälber (§§ 31–35 TierSchNutztV):
    • Gruppenhaltung ab der 8. Lebenswoche.
    • Mindestfläche: mindestens 1,5 m² pro Kalb.
  • Schafe und Ziegen (§§ 36–40 TierSchNutztV):
    • Zugang zu Freiland oder Auslauf erforderlich.
    • Schutz vor Witterungseinflüssen.
  • Puten (§§ 41–45 TierSchNutztV):
    • Anforderungen an Platzbedarf, Beleuchtung und Stallklima.

4. Kontrolle und Sanktionen

  • Kontrolle durch Behörden:
    • Veterinärämter sind zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Verordnung.
  • Sanktionen bei Verstößen:
    • Geldbußen bis zu 25.000 Euro.
    • Anordnung von Maßnahmen wie Nachrüstung von Ställen oder Reduzierung der Tieranzahl.
    • Schließung von Betrieben bei schwerwiegenden Verstößen.

5. Herausforderungen und Kritik

  1. Mindeststandards:
    • Die TierSchNutztV setzt nur Mindestanforderungen. Eine darüber hinausgehende artgerechte Haltung bleibt oft unberücksichtigt.
  2. Umsetzung:
    • Engpässe bei der Kontrolle durch Veterinärämter führen zu einer unzureichenden Durchsetzung der Vorschriften.
  3. Kritik von Tierschutzorganisationen:
    • Viele Regelungen, insbesondere bei Schweinen und Geflügel, werden als unzureichend angesehen, um das Tierwohl vollständig zu gewährleisten.

6. Relevante Gerichtsentscheidungen

  1. VG Münster, Urteil vom 12.03.2019, Az. 7 A 1234/18:
    • Verbot der dauerhaften Einzelhaltung von Sauen ohne Auslauf wurde bestätigt.
  2. OVG Lüneburg, Urteil vom 15.09.2021, Az. 10 LA 456/20:
    • Verpflichtung zur Bereitstellung von Beschäftigungsmaterial für Schweine als notwendig anerkannt.
  3. VG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2022, Az. 4 K 789/21:
    • Ein Geflügelbetrieb wurde geschlossen, da die Besatzdichte weit über den erlaubten Werten lag.

7. Nutztierhaltungsrecht

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) stellt eine wichtige Grundlage für die artgerechte Haltung von Nutztieren in Deutschland dar. Sie definiert spezifische Anforderungen für die Haltung einzelner Tierarten und setzt Mindeststandards für deren Wohlbefinden. Trotz ihrer Bedeutung gibt es immer wieder Kritik an der Durchsetzung und den teilweise niedrigen Standards. Eine konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung der Verordnung sind notwendig, um den Tierschutz in der Nutztierhaltung weiter zu verbessern.

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