Das Tierrecht hat sich in jüngster Zeit auf nationaler und europäischer Ebene durch neue gesetzliche Regelungen, Initiativen und Gerichtsentscheidungen weiterentwickelt. Hier sind die wichtigsten Neuerungen:
1. Deutschland
a. Änderungen im Tierschutzgesetz (TierSchG)
- Verbot des Kükentötens:
- Seit 2022 ist das Töten männlicher Küken in der Legehennenindustrie verboten. Ab 2024 wird dies durch strenge Kontrollen und die Förderung von Alternativen wie In-ovo-Geschlechtsbestimmung weiter durchgesetzt.
- Ziel: Förderung von Zweinutzungsrassen und technologische Alternativen zur Geschlechtsselektion.
- Verbesserte Haltungsbedingungen:
- Neue Verordnung zur Schweinehaltung: Verbot der Fixierung von Sauen im Kastenstand über einen längeren Zeitraum. Ab 2029 müssen alle Ställe auf Gruppenhaltung umgestellt sein.
- Erhöhung des Platzangebots: Mindestvorgaben für den Platz pro Tier wurden angepasst, insbesondere für Geflügel und Rinder.
- Tiertransportverbot bei extremer Hitze:
- Die Durchführung von Tiertransporten ist bei Temperaturen über 30°C untersagt. Transporte über acht Stunden werden stärker reguliert.
b. Strengere Regeln für Haustiere
- Verbot von Qualzuchten:
- Verschärfte Regeln zur Zucht von Tieren, deren physische Merkmale zu gesundheitlichen Problemen führen (z. B. kurznasige Hunde wie Möpse oder Bulldoggen).
- Verstärkte Kontrollen und Bußgelder bei Verstößen gegen § 11b TierSchG.
- Microchipping und Registrierung:
- Pflicht zur Kennzeichnung und Registrierung von Hunden und Katzen in bundesweiten Datenbanken. Ziel ist die Bekämpfung von Tierhandel und Abwanderung.
c. Förderung alternativer Proteine:
- Neue Förderprogramme für die Entwicklung von Fleischersatzprodukten und Insektenproteinen, um den Konsum tierischer Produkte zu reduzieren und die Umweltauswirkungen der Tierhaltung zu verringern.
2. Europäische Union
a. Aktualisierung der EU-Tierschutzstrategie
- Verbot der Käfighaltung bis 2027 („End the Cage Age“):
- Die EU hat beschlossen, die Käfighaltung von Nutztieren wie Hühnern, Kaninchen, Schweinen und Kälbern schrittweise abzuschaffen.
- Auswirkung: Landwirte müssen auf alternative Haltungssysteme umstellen.
- Tiertransporte:
- Neue Transportregeln: Begrenzung der Transportdauer auf maximal 8 Stunden für Schlachttiere. Strengere Anforderungen an die Belüftung und Überwachung durch GPS.
- Förderung von lokalen Schlachtlösungen zur Reduzierung von Tiertransporten.
- Kennzeichnung von Lebensmitteln:
- Einführung eines verpflichtenden EU-weiten Tierschutzkennzeichens, das Verbraucher über die Haltungsbedingungen von Nutztieren informiert (z. B. Käfighaltung, Freilandhaltung).
b. Reform der Tierversuchsrichtlinie (Direktive 2010/63/EU):
- Reduktion und Ersatz von Tierversuchen:
- Förderung von Alternativen wie Organ-on-Chip-Technologien und Computersimulationen.
- Verpflichtung zur Datenweitergabe, um doppelte Tierversuche zu vermeiden.
c. Kampf gegen Wildtierhandel:
- Verschärfung der Regeln für den Handel mit exotischen Tieren:
- Einführung einer Positivliste, die nur bestimmte Arten als Haustiere erlaubt.
- Verstärkter Schutz bedrohter Arten durch die CITES-Vorgaben (Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten).
d. Nachhaltigkeitsziele:
- Integration von Tierschutzaspekten in die Farm-to-Fork-Strategie der EU:
- Förderung nachhaltiger Tierhaltung und Reduktion des Einsatzes von Antibiotika.
- Langfristige Ziele zur Reduzierung des Fleischkonsums und Förderung pflanzlicher Alternativen.
3. Gerichtsentscheidungen und Rechtsdurchsetzung
a. Deutschland
- BVerwG (Bundesverwaltungsgericht) – Verbot von Wildtieren im Zirkus:
- Entscheidung: Kommunen dürfen das Mitführen von Wildtieren bei Zirkusveranstaltungen auf öffentlichem Grund verbieten, um das Tierwohl zu schützen.
- Normen: Art. 20a GG (Schutz der Tiere), TierSchG.
- Strengere Auslegung von § 17 TierSchG (Tierquälerei):
- Gerichte verhängen härtere Strafen für Tierquälerei, insbesondere bei vorsätzlicher Misshandlung von Haustieren oder Vernachlässigung in der Landwirtschaft.
b. Europäische Union
- EuGH – Tiertransportbedingungen (Rechtssache C-424/22):
- Urteil: Tiere müssen während des gesamten Transports, einschließlich an Grenzübergängen, angemessene Versorgung und Ruhezeiten erhalten. Verletzungen führen zu hohen Strafen für Unternehmen.
- EuGH – Käfighaltung und Importverbot:
- Urteil: Produkte aus Drittländern, die Tierschutzstandards der EU nicht erfüllen, dürfen beschränkt oder verboten werden.
4. Zukünftige Entwicklungen im Tierrecht
a. Digitalisierung und Überwachung:
- Einführung von KI-gestützten Systemen zur Überwachung von Tierwohl, z. B. durch Sensoren in Ställen oder Drohnen zur Überprüfung von Weidehaltung.
b. Personhood für Tiere:
- Zunehmende Diskussionen über die Anerkennung von Tieren als Rechtssubjekte mit spezifischen Rechten, insbesondere für intelligente Arten wie Elefanten und Schimpansen.
c. Klimaschutz und Tierhaltung:
- Gesetzesinitiativen zur Verringerung von Methanemissionen in der Tierhaltung.
- Förderung klimafreundlicher Alternativen wie pflanzlicher Ernährung.
d. Fokus auf Wildtierschutz:
- Stärkere Regulierung des Wildtierhandels und Schutzmaßnahmen gegen den Verlust von Lebensräumen durch internationale Abkommen.
Zusammenfassung
Die Neuerungen im Tierrecht in Deutschland und Europa spiegeln die steigende Bedeutung des Tierwohls, der Nachhaltigkeit und des ethischen Umgangs mit Tieren wider. Strengere Vorschriften, technologische Innovationen und gesellschaftliches Bewusstsein werden die Entwicklung des Tierrechts weiter vorantreiben.