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Reitturnier und Aufsichtspflicht der Eltern oder des Obhuts als Obhutspflicht

a) Bei einer Aufsichtspflichtverletzung der Eltern kann sich ein Anspruch des Kindes gegen diese aus § 1664 Abs. 1 BGB ergeben. Daneben kann eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB auch durch Verletzung einer (familienrechtlich begründeten) Obhutspflicht begangen werden.

b) Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnah-men danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der kon-kreten Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern.

BGH URTEIL VI ZR 210/18 vom 19. Januar 2021 – Aufsichtspflicht bei Reitturnier

BGB § 1664 Abs. 1, § 823 Abs. 1

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2020 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Allgayer
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des 14. Zivilse-nats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. April 2018 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufungen der Klägerinnen wird das Urteil des Landge-richts Freiburg vom 13. Januar 2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ver-pflichtet sind,
1. die Klägerin zu 1 von allen Ansprüchen, mit denen diese auf-grund der Verletzungen von L. B. aus dem Unfall vom 12. Juni 2011 (Pfingstturnier W. ) belastet wird, freizustellen; hiervon ausgenommen sind Ansprüche, die darauf beruhen, dass ein Sozialversicherungsträger zur Behebung des von L. B. erlittenen Schadens Leistungen erbracht hat oder erbringen wird;
2. der Klägerin zu 2 Zahlungen zu erstatten, die diese aufgrund der Verletzungen von L. B. aus dem Unfall vom 12. Juni 2011 (Pfingstturnier W. ) zu leisten hatte; hiervon ausgenommen sind solche Zahlungen, die die Klägerin zu 2 auf Ansprüche geleis-tet hat, die darauf beruhen, dass ein Sozialversicherungsträger zur
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Behebung des von L. B. erlittenen Schadens Leistungen erbracht hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Streithelfers der Klägerinnen als Gesamtschuldner.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerinnen nehmen die Beklagten auf Feststellung der Verpflichtung zum Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch.
Der Streithelfer der Klägerinnen veranstaltete auf seinem Vereinsgelände ein Reitturnier, das ohne Zugangsbeschränkung und Eintrittsgeld von Zuschau-ern besucht werden konnte. Für das Abstellen von Pferdetransportern stellte er den Turnierteilnehmern verschiedene Wiesen zur Verfügung. Eine dieser Wiesen grenzte an einen Weg, der während der Turnierveranstaltung befahren und auch von Besuchern begangen wurde. Entlang des Wegs wurden auf der Wiese unter anderem verschiedene Landmaschinen ausgestellt. Dahinter befanden sich von Turnierteilnehmern abgestellte Pferdetransporter und -anhänger. Dort parkte auch die Klägerin zu 1, die eine Turnierteilnehmerin begleitete, auf dem ihr zuge-wiesenen Stellplatz ihr Fahrzeug mit einem Pferdeanhänger. In diesem befand sich neben dem Pferd der Klägerin zu 1, für welches diese eine Haftpflichtversi-cherung bei der Klägerin zu 2 unterhielt, ein weiteres Pferd der von ihr begleiteten
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Turnierteilnehmerin. Die Klägerin zu 1 stellte ihr Fahrzeug weisungsgemäß mit der Front zu dem Weg ab, der an die Wiese anschloss, sodass das Heck des Pferdeanhängers dem Wettkampfgelände abgewandt war. Nachdem die Turnier-teilnehmerin, die die Klägerin zu 1 begleitete, mit den Pferden verschiedene Wett-kämpfe bestritten hatte, wurden diese in den Pferdeanhänger verbracht, ange-bunden und von hinten mit einer Haltestange gesichert. Die Rampe am Heck des Pferdeanhängers und Luken im seitlichen Frontbereich waren wegen der hohen Lufttemperatur geöffnet. Danach verließen die Klägerin zu 1 und die von ihr be-gleitete Turnierteilnehmerin den Pferdeanhänger. Die Beklagten besuchten mit ihrem knapp drei Jahre alten Kind und weiteren Verwandten das Turnier. Dort hielten sie sich im Bereich zwischen dem Springplatz und der Reithalle auf, wo sie verschiedene Verwandte und Bekannte trafen und sich an einen Biertisch setzten. Das Kind der Beklagten begab sich mit einem anderen, etwa vier Jahre alten Kind unbemerkt zu dem Pferdeanhänger der Klägerin zu 1. Zunächst füt-terte das Kind der Beklagten von außen eines der Pferde. Dann stieg es in den Pferdeanhänger, wo es von einem Huf des Pferdes der Klägerin zu 1 am Kopf getroffen wurde.
Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zu 2 einen Anteil von 2/3 sämtlicher Zahlungen zu erstatten, die diese aufgrund der Verletzungen des Kleinkindes geleistet hat, und dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin zu 1 von allen Ansprüchen, mit denen diese aufgrund von Verletzungen des Kleinkindes aus dem Unfall belastet wird, im Umfang von 2/3 freizustellen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufungen der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und festgestellt, dass diese als Gesamtschuldner der Klägerin zu 2 einen Anteil von 1/3 sämtlicher Zahlungen erstatten und die Klägerin zu 1 von allen Ansprüchen im Umfang von 1/3 freistel-len müssen (ausgenommen Zahlungen und Ansprüche, die darauf beruhen, dass
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ein Sozialversicherungsträger Leistungen erbracht hat oder erbringen wird). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Berufungen hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit den vom erkennenden Senat zugelasse-nen Revisionen verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren und die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit die Klägerin zu 2 die Feststellung beantrage, dass die Beklagten zur Erstattung von Zahlungen verpflichtet seien, die die Klägerin zu 2 zukünftig noch leisten werde. Der Versicherer könne vor einer Leistung nur auf Feststellung der Leistungs-pflicht des Schädigers gegenüber dem Versicherungsnehmer klagen. Maßgeb-lich sei, dass ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Versiche-rer und dem Anspruchsgegner erst mit Leistungserbringung gemäß § 86 VVG (also Forderungsübergang) entstehe. Soweit die Feststellung begehrt werde, dass die Beklagten zur Freistellung beider Klägerinnen verpflichtet seien, sei der Antrag unzulässig, soweit er auch zugunsten der Klägerin zu 2 gestellt werde.
Im Übrigen sei die Klage teilweise begründet. Die Klägerin zu 1, die Be-klagten und der Streithelfer der Klägerinnen hafteten dem verletzten Kind gegen-über gemäß § 823 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Die Beklagten seien unter dem Gesichtspunkt der Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 823 Abs. 1, § 1664 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Bei der Bemessung der von den Beklagten im Innenverhältnis zu tragenden Quote sei zu berücksich-tigen, dass auch der gesondert in Anspruch genommene Streithelfer der Kläge-
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rinnen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die ihn treffende Verkehrssi-cherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Klägerin zu 1 sei gleichfalls wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Im Rahmen des Gesamtschuldneraus-gleichs bestehe jedoch kein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung von Leis-tungen oder Freistellung, soweit dies Leistungen von Sozialversicherungsträgern betreffe, die sich auf die dem Kind entstandenen Schäden bezögen.
B.
I. Die Revisionen der Beklagten sind nicht begründet, soweit sie sich ge-gen ihre Haftung als Gesamtschuldner richten. Das Berufungsgericht hat zutref-fend angenommen, dass die Beklagten wegen Verstoßes gegen ihre Aufsichts-pflicht haften (1.) und als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden kön-nen (2.).
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagten gegen ihre Aufsichtspflicht verstießen und deshalb gegenüber ihrem Kind haften, ist revisi-onsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) § 1664 Abs. 1 BGB enthält eine Anspruchsgrundlage für Ersatzansprü-che eines Kindes gegen seine Eltern für den Fall einer Pflichtverletzung in Aus-übung der elterlichen Sorge (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2019 XII ZB 425/18, BGHZ 222, 376 Rn. 12; Urteile vom 7. April 1993 XII ZR 266/91, NJW 1993, 2305, juris Rn. 22; vom 10. Februar 1988 IVb ZR 111/86, juris Rn. 14; Götz, in: Palandt, BGB 80. Aufl., § 1664 Rn. 1; a.A. Amend-Traut, in: BeckOGK BGB [1.10.2020], § 1626 BGB Rn. 167; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familien-recht 7. Aufl., § 58 Rn. 65). Nach dieser Vorschrift haben die Eltern bei der Aus-
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übung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzu-stehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Die Pflicht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB), umfasst die Sorge für die Person des Kindes (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB) und insbeson-dere die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Daher kann sich bei einer Aufsichtspflichtverletzung der Eltern ein Anspruch des Kindes ge-gen diese aus § 1664 Abs. 1 BGB ergeben (vgl. Wagner, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 832 Rn. 10; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1631 Rn. 6; Kerscher, in: BeckOGK BGB [1.9.2020], § 1631 Rn. 59).
Daneben kann eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB auch durch Verletzung einer (familienrechtlich begründeten) Obhutspflicht be-gangen werden (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1995 VI ZR 358/94, NJW 1996, 53, juris Rn. 8, 12; vom 16. Januar 1979 VI ZR 243/76, BGHZ 73, 190, juris Rn. 12, 14).
b) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Beru-fungsgerichts, dass die Beklagten ihre Aufsichtspflicht verletzten.
aa) Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderli-chen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädi-gungen zu verhindern (vgl. Senat, Urteile vom 20. März 2012 VI ZR 3/11, NJW 2012, 2425 Rn. 16; vom 24. März 2009 VI ZR 51/08, NJW 2009, 1952 Rn. 8; vom 19. Januar 1993 VI ZR 117/92, NJW 1993, 1003, juris Rn. 8; vom 29. Mai 1990 VI ZR 205/89, BGHZ 111, 282, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 15. Novem-ber 2012 I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 Rn. 16; jeweils mwN). Das Maß der ge-
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schuldeten Aufsicht erhöht sich mit der Gefahrträchtigkeit der konkreten Situa-tion. Spielen Kinder in der Nähe von Straßen oder in der Nähe gefährlicher Ge-genstände, ist mehr Aufsicht angebracht als innerhalb eines abgegrenzten, risi-koarmen Bereichs (vgl. Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1631 Rn. 8). Kleinkinder bedürfen ständiger Aufsicht, damit sie sich nicht Gefahren in ihrer Umgebung aussetzen, die sie aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit noch nicht erkennen und beherrschen können. Diese Gefahren sind für sie allgegenwärtig; sie können schon aus Gegebenheiten erwachsen, die für jeden anderen gänzlich ungefährlich sind (vgl. Senat, Urteil vom 20. September 1994 VI ZR 162/93, NJW 1994, 3348, juris Rn. 15). Daher gesteht die Rechtsprechung Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren einen Freiraum zu, wobei allerdings eine regel-mäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen für erforderlich gehalten wird (vgl. Se-nat, Urteil vom 24. März 2009 VI ZR 51/08, NJW 2009, 1952 Rn. 14).
Das Berufungsgericht hat aufgrund der örtlichen Verhältnisse den Schluss gezogen, dass einem Aufsichtspflichtigen habe klar sein müssen, dass ein Kind, das sich einmal der Aufsicht der Erwachsenen entzogen hätte, nur unter Mühe wieder zu finden gewesen sei. Aufgrund der Möglichkeit, dass ein unbeaufsich-tigtes Kind unvermittelt in Kontakt mit Pferden habe kommen können, sei es vo-rauszusehen gewesen, dass bei einem Entweichen von Kindern erhebliche Ge-fahren drohen könnten. Daher seien die Beklagten verpflichtet gewesen, ihr Kind unmittelbar bei sich zu behalten und auch ein Entfernen um wenige Meter nicht zuzulassen. Das Landgericht, auf dessen Erwägungen das Berufungsgericht Be-zug genommen hat, hat ausgeführt, dass dem die ausgeübte Aufsicht nicht ge-nügt habe, ohne dass entschieden werden brauche, welche der von den Beklag-ten geschilderten Sachverhaltsversionen dem tatsächlichen Geschehensablauf entspreche. Diese Bewertung ist zutreffend. Die in diesem Zusammenhang er-hobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend er-achtet.
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bb) Es kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, ob sich die Schutzpflichten der Eltern gegenüber dem Kind von ihren nach dem objektiven Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB zu bemessenden Pflichten gegenüber dem Verkehr insbesondere im Kreis der Verkehrssicherungspflichten, etwa der Auf-sichtspflichten nach § 832 BGB, immer sachgerecht trennen lassen und ob an-derenfalls für den subjektiven Sorgfaltsmaßstab des § 1664 Abs. 1, § 277 BGB noch Raum ist (für eine entsprechende Einschränkung etwa U. Diederichsen, VersR Jubiläumsausgabe 1983, 141, 143; w.N. bei Becker, in: BeckOGK BGB [1.6.2020], § 1664 Rn. 36; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1664 Rn. 11; offen gelassen von Senat, Urteile vom 1. März 1988 VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338, juris Rn. 20; vom 16. Januar 1979 VI ZR 243/76, BGHZ 73, 190, juris Rn. 16; a.A. etwa Heilmann, in: Staudinger [2016], § 1664 BGB Rn. 33; Gernhuber/Co-ester-Waltjen, 7. Aufl., § 58 Rn. 67; Becker, in: BeckOGK BGB [1.6.2020], § 1664 Rn. 20.2; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1664 Rn. 1, 12 mwN; siehe weiter BVerfGE 127, 263, juris Rn. 66). Denn auch wenn der subjektive Sorgfaltsmaß-stab des § 1664 Abs. 1, § 277 BGB im vorliegenden Fall anzuwenden wäre, wür-den die Beklagten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haften.
(1) Gemäß § 1664 Abs. 1 BGB haben Eltern bei der Ausübung der elterli-chen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in ei-genen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Nach § 277 BGB sind sie von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit. Wenn sich Eltern auf den Maß-stab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten berufen, trifft sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegen (vgl. BGH, Urteile vom 24. September 2013 II ZR 391/12, NJW 2013, 3572 Rn. 14; vom 26. Juni 1989 – II ZR 128/88, NJW 1990, 573, juris Rn. 28 [jew. zu § 708 BGB]; Huber, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1664 Rn. 21). Abzustellen ist auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis (vgl. BGH, Urteile vom
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24. September 2013 II ZR 391/12, NJW 2013, 3572 Rn. 14; vom 26. Juni 1989 – II ZR 128/88, NJW 1990, 573, juris Rn. 28 [jew. zu § 708 BGB]; Schaub, in: BeckOGK BGB [1.12.2020], § 277 Rn. 15). Da Eltern sich nicht selbst beaufsich-tigen, bestände die eigene Angelegenheit im Sinne des § 1664 Abs. 1 BGB in Fallgestaltungen wie der vorliegenden in der Ausübung der Aufsicht über ihr Kind.
(2) Das Berufungsgericht hat insoweit auch unter Bezugnahme auf die Erwägungen des Landgerichts ausgeführt, die Beklagten hätten nicht den Be-weis führen können, dass sie in diesen Angelegenheiten im Allgemeinen, aber auch bezüglich solcher Gefahren, die ihrem Kind in anderen Situationen drohten, sorgloser umgingen, als dies objektiv geboten sei. Das Kernargument der Be-klagten sei so zu verstehen, dass ihr Kind nicht enger geführt werden sollte als nötig, um es ihm zu ermöglichen, eigene, auch schmerzhafte Erfahrungen zu machen und daran zu reifen und zu wachsen. Zeugen hätten bestätigt, dass die Beklagten auch in der Zeit vor dem Unfall in dieser Weise mit ihrem Kind umge-gangen seien. So habe es etwa auch ohne unmittelbare Anwesenheit eines Er-wachsenen ein Klettergerüst mit Rutsche benutzen oder Steinchen in einen Teich werfen dürfen. Allerdings hätten alle Zeugen bestätigt, dass dies nur unter der stets befolgten Prämisse gegolten habe, dass ein Erwachsener ständig Blickkon-takt halte und nur so wenige Meter entfernt sei, dass er sofort eingreifen könne. Mit diesem Verhalten sei der Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit umschrieben.
(3) Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Zunächst haben die Tatgerichte entgegen der Auffassung der Revision nicht zum Ausdruck gebracht, dass sich die Beklagten in der Zeit vor dem Unfall bei der Ausübung der Aufsicht (einfach) fahrlässig verhielten. Vielmehr sind die tatrichterlichen Erwägungen so zu verstehen, dass das vormalige Verhalten der Beklagten nicht gegen den Maß-stab der einfachen Fahrlässigkeit verstieß. Weiter rügt die Revision ohne Erfolg,
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dass das Berufungsgericht nicht auch erörtert und berücksichtigt hat, wie die Be-klagten während des gesamten Besuchs des Reitturniers die Aufsicht über ihr Kind ausübten. Zwar kann im Rahmen der Überzeugungsbildung zum üblichen Verhalten im entsprechenden Pflichtenkreis grundsätzlich auch das Verhalten im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung zu berücksichtigen sein. Im Verhältnis zu der von den Beklagten über einen lan-gen Zeitraum ausgeübten Aufsicht ist der kurze Besuch des Reitturniers jedoch ersichtlich von ganz untergeordneter Bedeutung, für die Überzeugungsbildung ersichtlich nicht relevant gewesen und hat daher keiner Erörterung bedurft. Mit dem allgemein gehaltenen Vortrag der Beklagten, sie hätten auch sonst in Situ-ationen wie auf dem Reitturnier den gebotenen Sorgfaltsmaßstab nicht gepflegt, hat sich das Berufungsgericht befasst. Schließlich hat das Berufungsgericht die an das Haftungsprivileg zu stellenden Anforderungen nicht überspannt.
2. Die Beklagten haften gemäß § 1664 Abs. 2 BGB als Gesamtschuldner, da sich ein Elternteil, wenn keine Absprachen getroffen sind, nicht ohne weiteres darauf verlassen darf, dass der andere das Nötige tun wird (vgl. Heilmann, in: Staudinger [2016], § 1664 BGB Rn. 22). Darüber hinaus haften die Beklagten mit weiteren verantwortlichen Schädigern als Gesamtschuldner (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1995 VI ZR 358/94, NJW 1996, 53, juris Rn. 13; vom 1. März 1988 VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338, juris Rn. 22; Heilmann, in: Staudinger [2016], § 1664 BGB Rn. 48, 48b; Becker, in: BeckOGK BGB [1.6.2020], § 1664 Rn. 24).
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Ebenfalls nicht begründet sind die Revisionen der Beklagten, soweit sie sich gegen die Haftungsquote richten. Die Revisionen der Klägerinnen sind hin-gegen begründet, soweit die Klage als unbegründet abgewiesen worden ist. Im
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(Innen-) Verhältnis zur Klägerin zu 1 sind allein die Beklagten verantwortlich (1.). Weder die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer (2.) noch die von der Klägerin zu 1 begleitete Turnierteilnehmerin (3.) haften wegen Verschuldens.
1. Auf Grundlage der nicht angegriffenen Feststellung, dass das Kind der Beklagten durch das Pferd der Klägerin zu 1 verletzt wurde, haftet diese gemäß § 833 Satz 1 BGB mit den Beklagten als Gesamtschuldnerin (§ 840 Abs. 1 BGB). Gemäß § 840 Abs. 3 BGB sind im (Innen-) Verhältnis zueinander allein die Be-klagten verantwortlich. Diese bilden, da sich ihr Verhalten in demselben Verursa-chungsbeitrag auswirkte, eine Haftungseinheit (vgl. dazu Grüneberg, in: Palandt, BGB 80. Aufl., § 254 Rn. 70, § 426 Rn. 15 m.N.).
2. Darüber hinaus haften die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
a) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass ein noch nicht drei Jahre altes Kind beim Besuch eines Reitturniers wie dem vorliegenden praktisch ständig an der Hand gehalten werden müsse. Auch bei größeren Kindern sei eine Aufsicht erforderlich, aber je nach Alter in etwas geringerem Umfang. Ein et-was älteres Kind könne sich durchaus einmal kurzfristig von den Eltern entfernen. Gerade bei einem Kind in diesem Alter könne es auch vorkommen, dass es sich plötzlich der Aufsicht völlig entziehe. Aber auch bei noch älteren Kindern ab etwa neun Jahren seien spontane Verhaltensweisen möglich, die das Kind in eine von ihm nicht einzuschätzende Gefahr bringen könnten. Das Turnier sei von vielen Personen mit Kindern unterschiedlichen Alters besucht worden. Aufgrund der ho-hen Temperaturen seien alle Pferdeanhänger geöffnet gewesen, was bekannt und bei der Planung aber nicht vorgesehen gewesen sei. Es sei anzunehmen, dass auch nach Vorstellung des Streithelfers der Klägerinnen Besucher durchaus
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wegen ausgestellter Maschinen auch diese Bereiche des Wegs oder der angren-zenden Wiese betreten sollten. Deshalb habe damit gerechnet werden müssen, dass Kinder, die die ausgestellten Fahrzeuge besichtigten, auch in den angren-zenden Bereich kommen würden, in dem Pferde in Transportern oder Anhängern untergebracht seien. Ein solches Verhalten der Kinder sei umso wahrscheinli-cher, sobald die Pferdeanhänger wegen der Temperaturen geöffnet worden seien. Es sei vorhersehbar, dass Kinder durch offene Pferdeanhänger angeregt werden könnten, die Tiere zu streicheln oder zu füttern, was erhebliche Risiken begründe. Der Streithelfer der Klägerinnen hätte sicherstellen müssen, dass je-denfalls Kinder sich den Pferden nicht unbeaufsichtigt näherten. Es hätte genügt, wenn eine Aufsichtsperson im Bereich der offenen Anhänger ihren Standort öf-ters gewechselt hätte, um zu kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern eingreifen zu können. Der durch diese Pflicht geschützte Personenkreis umfasse alle Kinder, bei denen aufgrund ihres jungen Alters habe damit gerechnet werden müssen, dass sie dazu neigen könnten, sich in die Nähe der Pferde zu begeben. Auf die Frage, ob ein Erwachsener, der sich so verhalten hätte, sich auf die Ver-kehrssicherungspflichtverletzung berufen könne, komme es nicht an. Das ver-letzte Kind sei nicht aus diesem geschützten Personenkreis auszugrenzen. Es entspreche nicht Sinn und Zweck der Verkehrssicherungspflichten, den Schutz-zweckzusammenhang eng zu fassen. Wenn eine Verkehrssicherungspflicht un-ter dem Gesichtspunkt des unbesonnenen Verhaltens von Kindern, die sich in Bereiche begeben könnten, wo ihnen Gefahren drohten, begründet sei, sei es nicht gerechtfertigt, aus diesem Schutzbereich solche Kinder auszugrenzen, die sich zwar ebenso unbesonnen verhalten und ähnlich schnell bewegen könnten, aber eigentlich von den Eltern so intensiv beaufsichtigt werden müssten, dass bereits diese Aufsichtspflicht die Gefahr vermeiden sollte. Der Umstand, dass der
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Veranstalter grundsätzlich davon habe ausgehen dürfen, dass kleine Kinder lü-ckenlos beaufsichtigt würden, führe deshalb auch nicht zu einer Neutralisation der Verkehrssicherungspflicht.
Auch für die Klägerin zu 1 sei vorhersehbar gewesen, dass sich Kinder unbesonnen verhalten könnten und von dem Umstand, dass die Pferde in geöff-neten Anhängern gestanden hätten, angezogen werden könnten. Sobald ein Pferdehalter den mit einem Pferd besetzten Anhänger nicht mehr bestimmungs-gemäß verschlossen halte, sondern öffne, ergäben sich daraus besondere Pflich-ten. Die danach gebotenen Verhaltensweisen seien denen des Streithelfers der Klägerinnen ähnlich. Die Klägerin zu 1 hätte sich nur dann von ihrem geöffneten Anhänger entfernen dürfen, wenn sie sich darauf hätte verlassen können, dass ihr Streithelfer durch eine Aufsicht oder eine sichere Absperrung dafür gesorgt hätte, dass sich Unbefugte den Hängern nicht näherten. Auch bezüglich der Sorgfaltspflichten der Klägerin zu 1 sei das Kind der Beklagten nicht aus dem Schutzbereich ausgegrenzt. Diese seien nicht unter dem Gesichtspunkt, dass besonders kleine Kinder der lückenlosen Beaufsichtigung bedurft hätten, neutra-lisiert. Wie der Streithelfer der Klägerinnen habe auch die Klägerin zu 1 die Mög-lichkeit einkalkulieren müssen, dass sich Kinder der Aufsicht ihrer Eltern entzö-gen.
b) Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa) Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich ge-botene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig
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und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Verkehrssiche-rungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine ein-getretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. Senat, Urteile vom 25. Februar 2014 – VI ZR 299/13, NJW 2014, 2104 Rn. 8; vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 6; jeweils mwN).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeu-gend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkba-ren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung an-derer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entspre-chenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 25. Februar 2014 – VI ZR 299/13, NJW 2014, 2104 Rn. 9; vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 7; jeweils mwN). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen (vgl. Senat, Urteile
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vom 25. Februar 2014 – VI ZR 299/13, NJW 2014, 2104 Rn. 9; vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 8 jeweils mwN).
bb) Danach mussten die Klägerin zu 1 (als Halterin ihres Pferdes) und ihr Streithelfer (als Grundstückseigentümer) keine Vorkehrungen treffen, um zu ver-hindern, dass das Kind der Beklagten in den Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 gelangt.
(1) Zwar darf sich ein Grundstückseigentümer nicht darauf verlassen, dass sich Kinder nicht unbefugt in einen Gefahrenbereich begeben, wenn dieser be-sonderen Anreiz für den kindlichen Spieltrieb bietet und damit verbundene Ge-fahren für ein Kind nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 9). Vielmehr muss jeder Grundstückseigentümer wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen, wenn ihm be-kannt ist oder sein muss, dass sie sein Grundstück zum Spielen benutzen, und die Gefahr besteht, dass sie sich an den dort befindlichen gefährlichen Gegen-ständen zu schaffen machen und dabei Schaden erleiden können (vgl. Senat, Urteile vom 4. Mai 1999 – VI ZR 379/98, NJW 1999, 2364, juris Rn. 8; vom 23. Mai 1995 – VI ZR 384/94, VersR 1995, 973, juris Rn. 13; vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 9; vom 20. September 1994 – VI ZR 162/93, NJW 1994, 3348, juris Rn. 11; vom 28. April 1992 – VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 11; vom 19. Februar 1991 – VI ZR 171/90, NJW 1991, 2340, juris Rn. 12; jeweils mwN). An die Pflicht zur Gefahrenabwehr sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je größer der Anreiz ist, den die vom Sicherungspflich-tigen geschaffene oder unterhaltene Gefahrenquelle auf Kinder ausübt, und je weniger diese selbst in der Lage sind, die für sie bestehenden Gefahren zu er-kennen (vgl. Senat, Urteile vom 12. November 1996 – VI ZR 270/95, NJW 1997,
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582, juris Rn. 12; vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 9 mwN).
Der Tierhalter, der Pferde hält, ist für deren sichere Unterbringung verant-wortlich. Die sich hieraus ergebenden Pflichten bestehen in besonderem Maße dann, wenn der Gefahrenbereich der Tiere für Kinder zugänglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 28. April 1992 VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 10 f.).
Allerdings darf sich der Verkehrssicherungspflichtige in gewissem Umfang darauf verlassen, dass die für ein Kind Verantwortlichen ein Mindestmaß an sorg-fältiger Beaufsichtigung wahrnehmen. Das Vertrauen, das der Verkehrssiche-rungspflichtige in die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch die dafür Verant-wortlichen setzen kann, wirkt zurück auf seine Sicherungspflichten. Denn Art und Umfang der Verkehrssicherungspflichten bestimmen sich nicht nur nach der In-tensität der Gefahr, sondern auch nach den Sicherungserwartungen des Ver-kehrs. Werden Gefahren für Kinder durch die gebotene Beaufsichtigung von drit-ter Seite gewissermaßen neutralisiert, so reduzieren sich entsprechend auch die Sicherungserwartungen an den Verkehrssicherungspflichtigen, der auf eine sol-che Beaufsichtigung vertrauen darf (vgl. Senat, Urteile vom 23. Mai 1995 – VI ZR 384/94, VersR 1995, 973, juris Rn. 19; vom 20. September 1994 – VI ZR 162/93, NJW 1994, 3348, juris Rn. 16; vom 28. April 1992 – VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 18; Wagner, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 823 Rn. 489, 492; Hager, in: Staudinger [2009], § 823 BGB Rn. E 45).
(2) Die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer durften sich unter den Umständen des vorliegenden Falles darauf verlassen, dass Kleinkinder so beaufsichtigt wer-den, dass sie nicht in den Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 gelangen können.
(a) Ein Kleinkind hätte unter Berücksichtigung der Art der besuchten Ver-anstaltung und der örtlichen Gegebenheiten so beaufsichtigt werden müssen,
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dass es jedenfalls nicht aus dem Blick gelassen wird und gegebenenfalls sofort an die Hand genommen werden kann (siehe oben B.I.1.b.aa.).
(b) Wird eine Beaufsichtigung von Kleinkindern nicht lückenlos durchge-führt, dann handelt es sich grundsätzlich um ein Aufsichtsversagen der Eltern oder anderer mit der Beaufsichtigung betrauter Personen. Die bloße Möglichkeit eines solchen Versagens legt dem verkehrssicherungspflichtigen Grundstücks-eigentümer nicht schon die Pflicht auf, den Gefahren auch aus derartigen Auf-sichtsversäumnissen zu begegnen. Dazu besteht erst Anlass, wenn konkrete An-haltspunkte für eine Gefährdung bestehen (vgl. Senat, Urteile vom 20. Septem-ber 1994 – VI ZR 162/93, NJW 1994, 3348, juris Rn. 17; vom 28. April 1992 – VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 19).
Es sind keine Umstände und kein Vortrag festgestellt, wonach der Klägerin zu 1 oder ihrem Streithelfer bekannt gewesen wäre oder hätte bekannt sein müs-sen, dass (Klein-) Kinder sich unbefugt und ohne gehörige Aufsicht in den Be-reich der von Turnierteilnehmern abgestellten Pferdetransporter sowie -anhänger begaben und diese sogar betraten. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vortrag der Beklagten, dass Kinder auf den neben dem Weg ausgestellten Fahr-zeugen gespielt hätten. Daraus könnte schon nicht tragfähig geschlossen wer-den, dass sich Kinder unbefugt und ohne gehörige Aufsicht in den Bereich der abgestellten Pferdetransporter sowie -anhänger begeben und diese sogar betre-ten hätten (vgl. etwa Senat, Urteil vom 28. April 1992 – VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 25). Darüberhinausgehenden Instanzvortrag zeigen die Be-klagten nicht auf.
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(3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hätten die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer nicht durch eine Aufsicht sicherstellen müssen, dass je-denfalls ältere Kinder sich dem Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 nicht unbeauf-sichtigt nähern.
(a) Bei älteren Kindern ist nicht generell eine Aufsicht in geringerem Um-fang erforderlich. Denn der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern. Daher gesteht die Rechtsprechung Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren einen Freiraum zu, wobei allerdings eine re-gelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen für erforderlich gehalten wird (siehe oben B.I.1.b.aa.). Wie weit der Freiraum reicht, hängt von der konkreten Situation ab. Deren Umstände hat das Berufungsgericht zwar festgestellt und ausgeführt, es sei vorhersehbar gewesen, dass Kinder Kontakt zu den Pferden aufnehmen könnten. Daraus hat das Berufungsgericht jedoch nur Verhaltenspflichten der Klägerin zu 1 sowie ihres Streithelfers abgeleitet und nicht berücksichtigt, welche Konsequenzen sich für die gebotene Beaufsichtigung von Kindern ergeben, auf die die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer vertrauen durften.
Außerdem hätte berücksichtigt werden müssen, dass sich ältere Kinder einer erkennbaren Gefahr aus ihrem natürlichen Angstgefühl nicht bewusst aus-setzen (vgl. Senat, Urteile vom 4. Mai 1999 – VI ZR 379/98, NJW 1999, 2364, juris Rn. 11; vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94, NJW 1995, 2631, juris Rn. 13, mwN; Hager, in: Staudinger [2009], § 823 BGB Rn. E 45).
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(b) Die Klägerin zu 1 und ihr Streithelfer durften davon ausgehen, dass auch ältere Kinder, die noch kein ausreichendes Gefahren- und Verantwortungs-bewusstsein haben, sich nicht unbefugt und ohne gehörige Aufsicht in den Be-reich der abgestellten Pferdetransporter sowie -anhänger begeben und diese so-gar betreten. Denn die damit verbundenen Gefahren waren nach den Feststel-lungen nicht nur für die Klägerin zu 1 und ihren Streithelfer, sondern auch für die Besucher des Reitturniers offensichtlich. Daher hätten Aufsichtspersonen Kin-dern ohne ausreichendes Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein keinen Freiraum gewähren dürfen, der es ihnen ermöglicht hätte, in einen Pferdetrans-porter oder -anhänger von Turnierteilnehmern zu gelangen (vgl. etwa Senat, Ur-teil vom 28. April 1992 – VI ZR 314/91, NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 18: umzäun-ter Pferdekral).
Abweichendes ergibt sich nicht aus der Rüge der Revision der Beklagten, das Berufungsgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass alle Pferdean-hänger geöffnet gewesen seien, weil dies lediglich bestrittener Vortrag der Klä-gerinnen gewesen sei. Diese Umstände dürften bereits nicht entscheidungser-heblich sein, da der Abstellbereich ungeachtet geöffneter Türen von Pferdeanhä-ngern offensichtlich gefährlich war. Darüber hinaus ergibt sich aus den Entschei-dungsgründen des Landgerichts die Feststellung, dass die Klägerin zu 1 „sich (wie andere Tierhalter) entschlossen hatte, die Klappen und Türen des Anhän-gers wegen der hohen Temperaturen zu Belüftungszwecke geöffnet zu halten.“ Danach war jedenfalls nicht nur der Anhänger der Klägerin zu 1 geöffnet. Schließ-lich hat das Berufungsgericht zu Beginn des Absatzes, in dem ausgeführt wird, es stehe fest, dass alle Anhänger, in denen sich Pferde befunden hätten, zum Schutz der Pferde geöffnet gewesen seien, nicht nur auf den unstreitigen Sach-verhalt Bezug genommen, sondern auch auf die Beweisaufnahme.
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Der Hinweis des Berufungsgerichts, gerade bei einem älteren Kind könne es auch vorkommen, dass es sich plötzlich der Aufsicht entzieht, ist zwar zutref-fend. Allein daraus folgt jedoch noch nicht, dass ein Verkehrssicherungspflichti-ger kein Vertrauen in die gebotene Beaufsichtigung haben darf. Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Hinweis des Berufungsgerichts auf das Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 (VI ZR 159/73, VersR 1975, 133). Denn nach den Fest-stellungen, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, konnte – für den Verkehrs-sicherungspflichtigen erkennbar – in der konkreten Situation durch die Anwesen-heit einer Aufsichtsperson nicht gewährleistet werden, dass sich das Kind nicht plötzlich dessen Aufsicht entzieht und in unmittelbarem örtlichen sowie zeitlichen Zusammenhang verletzt wird. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall.
(c) Daher kann offenbleiben, ob es eine geeignete Sicherungsmaßnahme gewesen wäre, dass eine Aufsichtsperson im Bereich der offenen Anhänger ih-ren Standort öfters gewechselt hätte, um zu kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern eingreifen zu können. Die Rechtsfrage, inwieweit das verletzte (Klein-) Kind in den Schutzbereich einer Verkehrssicherungspflicht, die sich aus dem Schutzbedürfnis älterer Kinder ergibt, einbezogen wäre, stellt sich im vorlie-genden Fall nicht (vgl. dazu Hager, in: Staudinger [2009], § 823 BGB Rn. E 41).
3. Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten musste auch die von der Klägerin zu 1 begleitete Turnierteilnehmerin keine Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass sich Kinder in den Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 begeben.
III.
1. Die Revision der Klägerin zu 2 ist unbegründet, soweit das Oberlandes-gericht deren Berufung zurückgewiesen und die Klage für unzulässig erachtet
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hat. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klage unzuläs-sig ist, soweit die Klägerin zu 2 die Feststellung beantragt, dass die Beklagten verpflichtet sind, auch sie von allen Ansprüchen freizustellen und ihr zukünftig noch zu leistende Zahlungen zu erstatten. Insoweit behauptet die Klägerin zu 2 kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (siehe Se-nat, Urteil vom heutigen Tag – VI ZR 194/18, unter B.II.1.)
2. Gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags (auch) der Klägerin zu 2, dass die Beklagten verpflichtet sind, die Klägerin zu 1 freizustellen, beste-hen keine Bedenken (siehe Senat, Urteil vom heutigen Tag – VI ZR 194/18, unter B.II.2.).

Reitturnier und Aufsichtspflicht der Eltern oder des Obhuts als Obhutspflicht

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